Freie Wahl beim Unterrichtsbeginn: Ausschlafen oder Lernen? Gymnasium in Baden-Württemberg testet Gleitzeit für Schüler

11. April 2024 13:13 Uhr von Corinna Sedlmeier
In einem Gymnasium in Baden-Württemberg wird derzeit das Gleitzeit-Modell ausprobiert. Das bedeutet, dass Schüler zwei Mal die Woche selbst entscheiden können, wann sie zum Unterricht erscheinen. (Symbolbild)
picture alliance/dpa | Uwe Anspach

Ein Gymnasium in Plochingen (Landkreis Esslingen) testet aktuell ein neues Konzept für den Unterricht. Ab sofort können Schüler selbst entscheiden, um wie viel Uhr die Schule beginnt. Was hält man in Bayern von der Gleitzeit-Schule?

Wie unter anderem der WDR berichtet, ist das Experiment am Montag, den 8. April gestartet. Die Gleitzeit betrifft zunächst nur die siebte Klasse. Schülerinnen und Schüler dürfen zwei Mal in der Woche selbst entscheiden, ob der Unterricht um 07:50 Uhr, oder um 09:40 Uhr beginnen soll. Das Gleitzeit-Modell soll für sechs Wochen erprobt werden. Die Schüler sollen so lernen, wann sie wirklich aufnahmebereit sind. 

Sechswöchiges Experiment an Schule in Plochingen

Die Idee dazu entstand während einer Diskussion im Deutschunterricht. Auf die Frage, was an ihrer Schule verbessert werden sollte, gaben viele Schülerinnen und Schüler an, dass der frühe Unterrichtsbeginn ein wichtiger Aspekt sei. Daraus entstand dem WDR zufolge das folgende Modell: Immer dienstags und donnerstags steht in den ersten beiden Stunden Deutsch und Englisch auf dem Plan. An diesen Tagen werden den Schülern Aufgaben gestellt. Diese können sie entweder wie gewohnt im Unterricht mit Unterstützung des Lehrers erledigen, oder die Schülerinnen und Schüler schlafen an den beiden Tagen aus und erledigen die Aufgaben an einem anderen Tag. 

Gleitzeit an Schulen - Auch in Bayern möglich?

Auch in Bayern scheint das Gleitzeit-Modell gut anzukommen. Der Landesschülerrat (LSR) in Bayern sieht in dem neuen Konzept Potenzial, wie die deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet. "Wir sind der Überzeugung, dass ein späterer Schulbeginn die Schülerinnen und Schüler ausgeschlafener, aufnahmefähiger und leistungsbereiter machen könnte", teilte der LSR der dpa mit. Der Rat kritisiert, dass Erkenntnisse aus der Schlafforschung nicht genug berücksichtigt würden. 

Wie wichtig ist guter Schlaf für Jugendliche?

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Jugendliche in der Pubertät mehr Schlaf als Erwachsene brauchen. Wie ein Schlafforscher gegenüber dem WDR erklärt, benötige der jugendliche Organismus diese längeren Ruhephasen für die Entwicklung des Gehirns. Vor allem der Schlaf am Morgen sei besonders wichtig. der Webseite schlaf.de zufolge werden für Teenager 8 bis 10 Stunden Schlaf empfohlen. Weil die Schlafphasen wegen des frühen Unterrichtsbeginns allerdings verkürzt werden, häufen sich Schlafprobleme unter den Schülerinnen und Schülern. Dieser Schlafmangel kann Experten zufolge die kognitiven Fähigkeiten reduzieren und so auch die schulischen Leistungen beeinträchtigen. 

Was sagen Lehrerverbände zum Gleitzeit-Modell?

Auch der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) sieht den Versuch in Baden-Württemberg positiv und wünscht sich in Bayern eine aufgeschlossene Debatte über einen flexibleren Schulbeginn. Die BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann kann sich vorstellen, dass ein solches Modell Schülerinnen und Schüler leistungsfähiger macht. Wenn lernen im Freistaat modern gestaltet werden solle, müsse das auch strukturelle Konsequenzen haben, sagte Fleischmann der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch.  

Anders sieht es der Bayerische Realschullehrerverband (BRLV). "Die Kolleginnen und Kollegen brauchen Entlastung und keine zusätzlichen Mammut-Verwaltungsaufgaben, die den gesamten Schulbetrieb ins Chaos stürzen", zitierte der Verband seinen Vorsitzenden in einer Mitteilung. Der BRLV halte die Gleitzeitmodelle nicht für praktikabel und lehne sie deshalb ab. 

Kultusminsterium: Unterrichtsbeginn in Bayern bereits jetzt flexibel

Für eine Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen sieht das Kultusministerium keinen Handlungsbedarf. An bayerischen Schulen sei der Schulbeginn ohnehin bereits jetzt flexibel geregelt und werde von den Schulen selbst festgesetzt. So könnten die Gegebenheiten vor Ort bestmöglich berücksichtigt werden. 

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